Reisebericht Bolivien
Zwei Jahre Vorbereitung auf einen Tauchgang in einem See an der bolivianisch-chilenischen Grenze liegen hinter uns. Wie verrückt muss man sein?
Mit Wanderungen im Österreichischen Großglockner Gebiet, im Kleinwalsertal und Aostatal haben wir uns mit den hochalpinen Gegebenheiten vertraut gemacht. In Löbejün in den drei Kesseln schulten wir uns mit Kreislaufgeräten. Wochen vor dem Abflug war ich jeden Tag für mehrere Stunden an einem Höhengenerator angehängt.
Mitte Februar 2017 geht es endlich los. Da die Teilnehmer aus der Schweiz, Österreich und Deutschland kommen, treffen wir uns alle beim Zwischenstopp in Madrid. Die vom Münchner Flughafen starten haben zwölf Stunden Aufenthalt, eine lange Zeit die wir in einer Lounge verbringen, nach und nach treffen die Teilnehmer ein.
Unser Ziel ist der höchstgelegene internationale Flughafen von La Paz, der immerhin auf 4100 Höhenmeter liegt. Dort werden wir von Pedro schon erwartet. Pedro, Sohn von einem peruanischen Vater und deutscher Mutter, aufgewachsen in Deutschland, lebt seit Jahren in Bolivien und guided für die Expedition Veranstalter Andean.
Die ersten Tage in La Paz sind geprägt vom Ausruhen und kleinen Touren, wo wir in La Paz Sehenswürdigkeiten besuchen. Immer darauf bedacht, sich sehr langsam zu bewegen, aber trotzdem schon einige Kilometer in die Beine zu bringen. Gerade an den ersten beiden Tagen ist das Schuhe binden sehr anstrengend und man fühlt sich, als hätte man gerade einen 100 m Sprint hinter sich gebracht. Gerade die ersten Tage sind entscheidend für eine gute Akklimatisation.
Pedro führt uns in die Altstadt von La Paz. Wir besuchen den Hexenmarkt, fahren runter zum Mondtal, die Kabinenbahn von Doppelmayer bringt uns wieder rauf zu unserem Hotel. Überall am Hexenmarkt werden getrocknete Lama Embryonen verkauft, was für uns Europäer schon etwas befremdlich ist. Wird in Bolivien ein Haus gebaut, werden als Glücksbringer diese Embryonen in das Fundament mit eingemauert, das soll böse Geister vertreiben. Das Mondtal liegt im unteren Bereich des Talkessels von La Paz, die skurrilen Strukturen entstanden durch die Auswaschungen des Regenwassers, dazwischen stehen viele Kakteen und der Wanderrundweg geht über Holzpfade und Brücken. Vor nicht langer Zeit startete der nicht gerade beliebte bolivianische Präsident das ehrgeizige Projekt, die einzelnen Stadtteile von La Paz mit Kabinenbahnen von Doppelmayer zu verbinden. Es sind zwölf Linien geplant, fertig gebaut sind momentan zweieinhalb. Die Achterkabinen sollen den wirklich chaotischen Straßenverkehr entlasten.
Zwei Tage Großstadt Sightseeing sind genug, am 3. Tag geht es mit dem Bus durch die Außenstadtringe in den Norden zum Titicacasee. Dort bezieht die Gruppe ein Nobelhotel in der Stadt Copacabana. Der Stadtname wurde zum Namensgeber für die eher bekanntere Copacabana in Brasilien. Gleich nach dem Einchecken nützen wir das herrliche Wetter und setzen mit dem Ausflugsboot zur Sonneninsel über. Dort steht eine mehrstündige Wanderung an. Zurück am Festland überzog sich der bis dahin strahlend blau Himmel mit dicken Gewitterwolken, die uns dann die ganzen weiteren Reisetage begleiten werden. Am Abend besuchten wir noch die dortige Kathedrale, wo die erste, von den Spaniern in Südamerika eingeführte Schwarze Madonna aufgestellt ist. Trotz Fotografierverbot hat ein Teilnehmer aus der Gruppe fotografiert und prompt gab es Ärger. Nur das beharrliche Diskutieren von Pedro verhinderte eine Gefängnisstrafe.
Am folgenden Tag geht es zur nächsten Stufe der Akklimatisation in die Cordilleren. Geplant war in Zelten ein Basislager auf ca. 5000 Höhenmetern. Da es nun immer wieder richtig zu regnen begann, organisierten wir ein Ausweichbasislager in einer Hütte. Die Hütte liegt in dem Condoriri Tal auf knappen 4600 Höhenmetern. Von dort unternehmen wir die nächsten Tage ausgedehnte Höhenwanderungen. Auf dem Weg dorthin besuchen wir eine Schilfboot Werft. Angeblich ließ hier Thor Heyerdahl vom Eigner seine Forschungsschiffe Ra 1 und Ra 2 bauen.
Nach zwei Nächten in den Cordilleren geht es zurück nach La Paz. Als wir in die
Außenbezirke von La Paz kommen, geraten wir in einen Karnevalumzug. Bunte
Musikgruppen ziehen an uns vorbei. Zum Schluss lädt mich ein stattlicher Herr
zum Tanzen ein, er überreicht mir ein Holzzepter. Erst im Bus erfahre ich, dass dies
die Einladung ist, im nächsten Jahr den Umzug zu organisieren einhergehend alle
Feste zu sponsern.
Nach einer kurzen Nacht in
La Paz heißt es Abschied nehmen. Es geht mit einem Inlandsflug nach Uyuni im
Süden von Bolivien. Pedro meinte noch, „dort wo wir hinfliegen hat es seit
Jahren nicht mehr geregnet, es herrscht ein ganz trockenes Klima“.
Uyuni empfängt uns mit
Platzregen vom Feinsten – wie war das noch mit der trockensten Wüste?
Durch den Regen war auch
die Salzwüste Uyuni de Salar durchgehend mit Wasser bedeckt. Geplant war die
Salzwüste mit dem Auto zu durchqueren, wegen dem Wasser war es zwar möglich,
doch es würde zu lange dauern. So entscheiden wir die Salzpfanne zu umfahren.
Aber nicht ohne einen kurzen Abstecher in die Salzwüste zu wagen. Wir besuchten
eine kleine Salzaufbereitungsanlage, bevor es weiter um die Wüste geht.
Im Wüstenhotel kamen
wir spät nachts an. Essen, ein Bierchen, und dann ging es auch schon ins Bett.
Steinerne Bäume
Durch Erosionen bildeten
sich skurrile Steinformationen mitten in der Wüstenlandschaft. Bei einem kurzen
Fotostopp trafen wir Manfred aus Ulm, der mit dem Motorrad in 6 Wochen von
Feuerland bis Kolumbien den Kontinent durchfuhr. Dann ging es auf die
Lagunentour. Davor ging es aber noch zum Eisenbahnfriedhof, dort hatten wir den
ersten Kontakt zur chilenischen Grenze.
Lagunen Tour
Ein Muss für jeden Bolivienreisenden
ist die sogenannte Lagunentour. Zwischen Höhen von 4000 bis 4500 erstrecken
sich viele Lagunen (wir würden Seen sagen), jeder schimmert in unterschiedlicher
Farbe. Die Berge sind vulkanischen Ursprungs. Wenige sind noch aktiv, die
meisten schon erloschen. In den Senken bildeten sich Lagunen, wie die Lagune de
Colorado, Lagune de Rosa, Lagune de Verde. Abwechslung bringt ein Bad im warmen
Wasserbecken auf 4500 Metern. Die Lagunen sind zum Baden nicht geeignet, die Laguna de Verde ist zum
Beispiel mit Arsen befüllt.
San Pedro de Atacama
Um einfach noch einmal zu erholen geht es runter von der Höhe. Für zwei Nächte sind wir in San Pedro de
Atacama im Hotel. Davor müssen wir erst über die Grenze, Pedro ist sehr nervös.
Es gilt doch viele Papiere auszufüllen. Das Grenzhäuschen auf der chilenischen
Seite ist gar nicht besetzt. Zur Zollkontrolle müssen wir zur Polizeistation in San Pedro de
Atacama. Das Prozedere ist wie folgt. Im Bus werden
zwei Formulare ausgefüllt, was bei der holprigen Straße nicht ganz einfach ist.
Es müssen alle Lebensmittel, die man dabei hat, angegeben werden. Pedro meint bei der Frage
„Haben Sie Lebensmittel dabei“ - einfach ein Kreuz bei ja setzen. So sind wir
auf der sicheren Seite.
Angekommen an der
Polizeistation steigt als erstes der Fahrer mit den Papieren aus. Er meldet
unsere Gruppe an. Erst wenn er OK gibt, dürfen wir aussteigen. Alle Koffer und
Taschen müssen aus dem Bus. Jeder wird nun zur Passkontrolle gerufen. Ist das
erledigt, geht man zu seinem Gepäck, das nun sehr genau mit Drogenhund
inspiziert und durchleuchtet wird.
San Pedro de Atacama ist voll touristisch und von jungen Leuten besucht. Hat einen sehr netten Flair. Die Behausungen inklusive der Kirche sind aus Lehm. Wir haben vom Hotel aus einen guten Blick zum Licancabur. Blick ist gut gesagt, am frühen Vormittag zumindest ab spätestens elf Uhr ziehen die ersten Wolken um den Kraterrand. Was uns immer nachdenklicher stimmt. Die zwei Tage sind wir voll fixiert auf unser Abenteuer.
Basislager Licancabur
Die einfache Hütte auf
4300 Hm an der Laguna de Verde, ohne Ofen und Heizung, Brennmaterial gibt es
nicht, sollte unser Ausgangspunkt für die Besteigung des Licancaburs sein, dort
trafen wir auch unsere Träger. Die letzten Tage beobachteten wir das Wetter
sehr genau. Die Nächte ab 21:00 Uhr waren sternenklar. Bis vormittags elf bis
zwölf Uhr zogen Gewitterwolken auf. Eine Stunde später hat es geregnet und
gewittert, in den höheren Lagen schneite es. Um das Schönwetterfenster zu
nutzen war der Plan den Aufstieg um Mitternacht zu beginnen. Da wir davon
ausgehen mussten, dass es am Kraterrand vereist ist, haben wir uns auch
Steigeisen einfliegen lassen. So war der Plan.
Am Tag vor dem geplanten Aufstieg sind wir schon einmal bis auf über 5100 Hm den Licancabur – ein erster Test. Das Wetter verschlechterte sich zunehmend, in der Nacht regnete es wie aus Kübeln. An einen Aufstieg war nicht zu denken. Wir hatten noch einen Tag Puffer, den wollten wir ausnutzen, doch es regnete mit ganz kurzen Pausen unaufhörlich weiter. Die Schneefallgrenze war mittlerweile bis zur Hütte. Wir mussten unseren Plan, im See des Licancabur zu tauchen, im Schnee begraben. Zwei Jahre Vorbereitung waren fast um sonst. Als Alternative haben wir dann noch einen See in Richtung argentinischer Grenze auf 4300 Hm ausfindig gemacht. Durch die starken Regenfälle war die Sicht in diesem See leider sehr bescheiden.
In den wenigen Tagen habe ich Südamerika in mein Herz geschlossen. Bolivien - ein sehr armes Land - fasziniert mich die Einfachheit des Lebens. Mit dem Wenigen zufrieden sein, da könnten wir in Deutschland auch wieder etwas Bescheidenheit lernen. Ein Stunde nachdem wir San Pedro de Atacama verlassen hatten, wurde die Stadt von einer Schlammlawine heimgesucht. Leider starben einige Menschen. Auch wenn es schmerzt das Ziel nicht erreicht zu haben, waren wir froh, gesund nach Hause zu kommen. Zu Hause erfuhren wir, dass auch weitere Menschen in den Schneestürmen im bolivianischen Gebirge ihr Leben verloren haben.
Es wird einen neuen Anlauf geben, dies ist sicher. Wir sind feste am Planen.